Für einen Freundeskreis-Fan der ersten Stunde war es natürlich Pflicht, zum Max-Herre-Konzert zu gehen, das im Rahmen der Kurpark Classix gestern Abend in Aachen stattfand. Der Auftritt der Künstler war genial und der gesamte Abend recht gelungen. Leider gab es ein paar unschöne Begleiterscheinungen.
Lieder wie 'Esperanto' oder 'A-N-N-A' sind nicht nur Hip-Hop-Anhängern ein Begriff. Spätestens durch Max Herres Solo-Karriere dürften sie auch einem breiteren Publikum bekannt geworden sein. Max Herre, Frontmann der 90er-Jahre-Hip-Hop-Formation 'Freundeskreis' gab sein Bestes, um dem Aachener Publikum einzuheizen. Er spielte mit orchestraler Begleitung neue, aber auch alte Lieder aus dem reichhaltigen Fundus der 'FK'-Geschichte. Dabei kamen gerade die älteren Sachen besonders gut an, war der Altersdurchschnitt mit ca. 35 Jahren doch eher 'mittelalt', was auf viele 90er-Jahre-Fans schließen ließ. Begleitet wurde 'Mäxchen' von Afrob, Megaloh und Grace. Gerade Afrob hat nichts von seiner Rap-Kraft eingebüßt und überzeugt immer noch durch seine brutale Stimmgewaltigkeit. So fühlte ich mich ein kleines bisschen in die Vergangenheit zurückversetzt, als die Rap-Styles der Kopfnicker-Ära den Kurpark zum Beben brachten.
Der erste kleine Wermutstropfen war das Wetter, das pünktlich zu Beginn des Konzerts des Himmels Schleusen öffnete und die Wiesen des Areals in Sturzbäche verwandelte. Panikartig mussten nicht nur wir unsere Picknickdecken einpacken und uns so gut wie möglich unter Regenschirmen zusammenpferchen. Als Maximilian nach ein paar Liedern 'zum Warmwerden' plötzlich 'Esperanto' anstimmte, war die anfänglich gute Laune aber schnell wiederhergestellt und der Regen verzog sich oder beschränkte sich darauf, als seichter Nieselregen herabzufallen.
Der zweite kleine Wermutstropfen war eine Gruppe Leute, die sich direkt vor uns aufbaute. Zur Erklärung: Bei den Kurpark Classix ist es üblich, dass - zumindest am Anfang - alle Zuschauer auf den Wiesenflächen sitzen, es ist sozusagen ein ungeschriebenes Gesetz. Nun will ich im Rahmen der menschlichen Freiheit natürlich niemandem vorschreiben, ob er zu sitzen oder zu stehen hat, aber sich mitten in die Menge zu stellen, während alle Leute sitzen und anderen damit die Sicht zu versperren, ist schon arg dreist. Damit möchte ich auch den Bogen zu einem meiner eigentlichen Blogthemen schlagen: Rücksichtnahme und Menschlichkeit. Ein Mädel unserer 'Truppe' fasste sich nämlich ein Herz und sprach besagte Leute darauf an. Sie fragte, ob sie denn vorhätten, noch den ganzen Abend da zu stehen, schließlich könnten Andere dadurch nichts mehr sehen. Die plumpe Antwort kam schnell und schnippisch: "Ja, haben wir und zwar zu 100%!" Dass die 'Mitten-im-Weg-Steher' erst kurz vor Beginn des Konzerts kamen und sich ohnehin schon 'in die Masse reingedrängelt' hatten - geschenkt. Unter Hip-Hop-/Reggae-Freunden hätte ich etwas mehr Solidarität erwartet.
Der dritte kleine Wermutstropfen bezog sich auf Joy Denalane, nicht nur privat Max Herres Partnerin, sondern auch musikalisch, die als 'featured guest' angekündigt war. Ziemlich enttäuscht stellten wir fest: Sie war schlicht nicht da und fehlte sozusagen 'unentschuldigt'. Ein Blick ins TV-Programm jenes Abends offenbarte den Grund: Denalane ist Jurorin der RTL-'Talentshow' 'Rising Star', die zeitgleich stattfand und live übertragen wurde. Dieser Punkt hinterließ den fadesten Nachgeschmack, waren es doch die 'FK Allstars' (zu denen auch Denalane gehörte), die um die Jahrtausendwende groß verkündeten, sie wollten dafür sorgen, dass nicht Konsum und Kommerz den deutschen Musikmarkt beherrsche, sondern 'echte Musik' und Authentizität. Dass sowohl Max Herre als auch Joy Denalane inzwischen 'im kapitalistischen Markt angekommen' sind, zeigen beide durch ihr Engagement in diversen TV-Formaten, worüber man als Anhänger der ersten Stunde zwar den Kopf schüttelt, aber noch hinwegsehen könnte. Dass man aber ein Live-Publikum, das im Regen ausharrt und eine nicht gerade günstige Eintrittskarte erstanden hat, sitzen lässt, 'nur weil RTL ruft', halte ich für sehr fragwürdig, zumal der Aachener Termin sicher schon wesentlich länger auf Joys Zeitplan stand. Ich werte das - vielleicht etwas überinterpretiert, aber dennoch mit der nötigen Schärfe - mal als 'Einknicken vor der Marktmacht' und werde wohl mit dem Gefühl leben müssen, eine grandiose Sängerin, auf die ich mich eigentlich gefreut hatte, nicht gesehen zu haben.
Trotz dieser kleineren Makel überwog unter dem vielzitierten Strich das Positive und ich ging mit der Gewissheit nach Hause, dass 'Max Herre und Freunde' es live einfach drauf haben und auch heute noch in der Lage sind, ohne viel Schnickschnack und Drumherum brilliante, authentische und ehrliche Musik zu machen. Freundeskreis lebt und das fast zehn Jahre nach seiner offiziellen Auflösung. Hut ab und vielen Dank für fast drei(!) grandiose Stunden bester Unterhaltung!
Kommentar schreiben