Und damit meine ich nicht den mangelnden Rhythmus im Blut vieler Deutscher. Ich meine jenes Taktgefühl, das sich auch mit 'Fingerspitzengefühl' oder - ganz allgemein - mit 'Moral' übersetzen lässt. Wie ich darauf komme? Durch einen Staubsaugervertreter im Verkaufsfernsehen.
Dieser demonstrierte eifrig, welche Saugkraft das Modell XY doch habe. "Der ist so stark mit seinen 2.000 Watt, da können sich andere Staubsauger eine Scheibe von abschneiden", sagte er sinngemäß. Und weiter: "Ob man damit wohl auch Wasser aufsaugen kann? Wäre für die Menschen im Süden und Osten Deutschlands derzeit ganz praktisch." Nach einem kurzen Moment der peinlichen Stille wies ihn sein Co-Moderator zurecht: "Nanana, die Flutkatastrophe ist ein ernstes Thema, das sollten wir nicht auf die leichte Schulter nehmen." Statt den verbalen Rettungsversuch seines Kollegen dankend anzunehmen, setzte der Staubsauger-Mann nach: "Jaja, das ist schon eine schlimme Sache. Aber es gibt eben auch andere schlimme Sachen, z. B. Pollen, die durch die Luft fliegen und sich in Ihren Teppich setzen. Doch die können Sie mit diesem Staubsauger ganz einfach wegsaugen." Ich war baff. Soviel Taktlosigkeit habe ich im deutschen Fernsehen selten erlebt. Möge der Mensch auf seinen Staubsaugern sitzenbleiben!
'Georgina Fleur', bürgerlich 'Fleur Georgina Bülowius' - von den Medien immer wieder als 'It-Girl' bezeichnet -, setzte noch einen drauf: Sie postete in einem sozialen Netzwerk ein Foto, das sie mit modischen Accessoires und Edel-Handtäschchen auf Sandsäcken posierend im Katastrophengebiet zeigt. "Na und? Dadurch, dass ich hier stehe, geht es den Menschen ja auch nicht schlechter", sagte sie sinngemäß und zeigte damit nicht ansatzweise ein schlechtes Gewissen. Anscheinend ist das ihre Art der Solidarisierung mit den Opfern.
Manchmal wünscht man sich härtere Gesetze, die solche Menschen wachrütteln. Doch selbst wenn man sie als 'Zwangshelfer' in überflutete bzw. bedrohte Ortschaften schickte, bestände die Gefahr, Fotos und Videos ihrer Hilfsaktionen binnen kurzer Zeit als Promo im Netz wiederzufinden. Solange Aufmerksamkeit und Popularität dazu benutzt werden, Spenden zu sammeln, habe ich da auch gar nichts gegen, aber als Witz am Rande, zur Selbstvermarktung? - Ein Flutopfer ist kein Spaßobjekt und ein Deich ist kein Laufsteg. Wer das nicht versteht, gehört nach meiner Auffassung nicht in die Medien.
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