Manfred Spitzer beschreibt es sowohl in seinem Buch als auch auf seiner DVD ("Digitale Demenz"): Den 'Input Overkill'. Zu viele Informationen, die im Sekundentakt auf den Organismus einprasseln. Die zugrunde liegende Urangst des Menschen: Kontrollverlust. Die Furcht, nicht mehr alles verarbeiten zu können, was geboten wird. Die bunte Konsumwelt scheint das wenig zu kümmern.
Wenn ich ins Restaurant gehe, möchte ich essen. Wenn ich ins Bekleidungsgeschäft gehe, möchte ich Kleidung kaufen. Wenn ich in die Buchhandlung gehe, möchte ich Bücher aussuchen, vielleicht in das eine oder andere 'hineinlesen'. Das ist mir bisher auch immer ganz gut gelungen. Allerdings nur, weil ich es geschafft habe, die Störquellen zu ignorieren.
Ich bin mir sicher, Sie kennen das auch: Man sitzt in gemütlicher Runde im Restaurant, unterhält sich, konzentriert sich aufs Essen. Aber irgendein Hornochse ist auf die Idee gekommen, einen Flachbildfernseher genau ins Sichtfeld zu hängen. Was passiert? Bunte Bilder erregen automatisch die Aufmerksamkeit des menschlichen Gehirns, die Kommunikation verstummt und alle starren wie blöd auf den viereckigen Kasten.
Doch damit nicht genug, denn weiter geht es im Bekleidungsgeschäft. Damit es möglichst 'up to date' wirkt, beleuchten flackernde Lichtorgeln den Verkaufsraum, dazu laute Technomusik, u. U. sogar ein DJ, der auflegt. "Meine Güte, was sind wir alle jung und stylisch!" Selbst in simplen Supermärkten dudelt inzwischen das Radio. "Kundendienst!", versichern Marktleiter und -forscher.
Selbst in der Buchhandlung habe ich es schon erlebt: "Willkommen bei Radio XY, es geht weiter mit Powersound aus den 80ern!" Wohl dem, der bloß ein Geschenkbuch sucht. Bei den neusten Ausgaben investigativer Zeitschriften wird es da schon schwieriger. Oder würden Sie gerne entscheiden, ob Sie lieber den neuen Spiegel oder den neuen Focus kaufen, während aus dem Radio Carmen Geissens 'Jet Set' blökt?
Manfred Spitzer hält all das vermutlich für unsinnig. Zurecht, denn 'Multitasking' ist nicht nur seiner Theorie zufolge evolutionsbiologisch unmöglich. Es ist zwar möglich, mehrere Dinge gleichzeitig zu tun, es ist aber auch wahr, dass sie dadurch nicht schneller erledigt werden, da die ungeteilte(!) Aufmerksamkeit immer nur bei einer Sache sein kann.
Ich frage mich: Wieso schaltet man Lärmquellen nicht einfach ab? Wir brauchen ja nicht alle von heute auf morgen meditativ eingestimmt und in absoluter innerer Kontemplation durch die Straßen zu schweben, doch Dauerbeschallung durch Geräte aller Art ist in meinen Augen völlig überflüssig. Hinzu kommt: Sie kostet Geld und verbraucht Strom. Ob sich das für die Ladenbetreiber wirklich lohnt? Eigentlich hört bzw. sieht eh niemand richtig hin.
Dass dem tatsächlich so ist und Gäste ihren eigenen Illusionen erliegen, wurde mir einst auf amüsante Art und Weise in einer Sushi-Bar vor Augen geführt: Auf dem Riesenschirm an der Wand verlas ein Nachrichtensprecher die neusten Meldungen aus aller Welt. Alle schauten hin, dabei sahen sie nur einen Mann, dessen Lippen sich bewegten. Der Sushi-Bar-Betreiber hatte - vermutlich, um das Radio nicht zu übertönen - den Ton des Fernsehers abgeschaltet...
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