Es hätte so schön sein können, zumindest in den Augen der Befürworter eines 'Gentechnikunterrichtes', der an einigen niedersächsischen Schulen eingeführt werden sollte. Die rot-grüne Landesregierung hat das Projekt jetzt gekippt. Große Empörung auf der einen Seite, Erleichterung auf der anderen. Doch wer manipuliert hier eigentlich wen? Ein Erklärungsversuch.
Es ist - wie so oft - viel Ideologie im Spiel und damit wird es ein Stück weit zur Glaubensfrage (im wörtlichen und übertragenen Sinn). Es gibt Menschen, die sind - ob aus wissenschaftlich nachvollziehbaren Gründen oder nicht - gegen Gen-Technik, egal welcher Art. Für diese Menschen ist bereits die Beschäftigung damit 'gefährlich', auch wenn sie Aufklärungszwecken dient. Und wenn man sich das Ziel gesetzt hat, gentechnikFREI zu werden (wie die niedersächsische Landesregierung), dann muss man eben auch jede Form von Gen-Technik-Forschung unterbinden. Ob das richtig ist, wage ich nicht zu beantworten, werfe aber - wie immer bei diesem Thema - den Ausruf in den Raum: "Wehret den Anfängen!"
Im konkreten Fall geht es u. a. um eine hannoveraner Schule und ihre stellvertretende Direktorin. Spiegel Online schreibt: "Eines von vier mit Hightech-Geräten vollgepackten Schullaboren für gentechnische Experimente wurde ihr geschenkt. Arbeitsmaterialien und Schulungen für die Biologielehrer inklusive." Ich frage mich: Geschenkt? Von wem genau? Interessant ist, dass sowohl der Saatguthersteller KWS als auch der Verband der chemischen Industrie zu den Geldgebern des Projektes gehören. Interessant ist auch, dass keine genauen Zahlen angegeben werden, sondern nur von einem 'geringen Anteil' gesprochen wird. Nach meiner auf aktuellen Zahlen basierenden Rechnung sind es etwa 6%, die auf diese beiden Geldgeber entfallen. Das ist zwar nicht viel, aber es ist auch nicht wenig. Ein einfaches Beispiel: Stellen wir uns einmal vor, die Bundesregierung würde ein Projekt gegen politischen Extremismus fördern (mit dem Ziel der 'Aufklärung') und eine rechtsextreme Partei würde unter der Auflage, sachlich und unparteiisch zu sein und 'Aufklärungsarbeit' zu leisten, 6% an Geldern beisteuern. Wie wäre da die Reaktion bzw. die Akzeptanz der Bürger? Außerdem zu erwähnen ist ein gewisser Herr Jacobsen, Vorstandsmitglied des 'Wissenschaftlerkreises Grüne Gentechnik e.V.' und Unterstützer der Aktion. (Über den Begriff 'Grüne Gentechnik' möchte ich gar nicht erst anfangen; er ist bereits sprachlich sehr bedenklich, denn er impliziert eine Natürlichkeit, die nicht gegeben ist.) Spiegel Online schreibt: "Gegner werfen seinem Verein vor, eine Lobbyorganisation zu sein. Tatsächlich wird der Wissenschaftlerkreis unter anderem von Saatgutriesen wie BASF, Monsanto oder BayerCropScience gefördert." Mhhh, ein Schelm, wer Böses dabei denkt.
Es ist leider bereits jetzt so, dass die Wirtschaft in immer mehr schulische Bereiche vordringen will. Ein konkretes Beispiel ist ein Lehrbuch für Bankkaufleute, in dem die Projekte einer speziellen Bank besonders behandelt werden. In Amerika ist das Gang und Gäbe, da sind die Schulen eigentlich nur verlängerte Arme der Konzerne. Wollen wir das in Deutschland? Eine befreundete Biologin - sie wohnt seit einiger Zeit in Hannover - schrieb mir dazu: "Ich frage mich, ob man in einem Land leben will, dass allein schon die Aufklärung über eine Thematik von grundauf unterdrückt. Wissen zu erlernen scheint hier nicht mehr erstrebenswert zu sein." Solange es wirklich Aufklärung bleibt, stimme ich ihr zu und stelle mich gerne auf ihre Seite. Die Gefahr der Manipulation ist aber in meinen Augen zu groß, denn die Position der Gen-Lobby impliziert: "Wenn sich die Menschen lange genug mit Gen-Technik beschäftigen, werden sie lernen, dass sie ganz toll ist." Und genau da sehe ich eine Gefahr. Geht es (den Gen-Konzernen, die Geld verdienen möchten) wirklich um sachliche Aufklärung oder geht es eher um die möglichst frühe Beeinflussung (noch junger Menschen) zu Gunsten einer vorgegebenen Denkrichtung? Bereits heute ufert die Macht der Lebensmittelkonzerne immer weiter aus. Das sollte man nicht auch noch fördern, indem man sie Teile der Schulausstattung finanzieren lässt.
Es ist immer dasselbe Lied: Die Gen-Lobby schimpft auf die Gen-Gegner, die Gen-Gegner schimpfen auf die Gen-Lobby. Es geht also einmal mehr um eine Schlacht der Studien und wissenschaftlichen Erkenntnisse, letztlich um eine Schlacht 'Natur- vs. Geisteswissenschaft' nach dem Motto: "Diese dummen ökologischen Ideologen! Wenn sie sich die Studien ansähen, wüssten sie, dass Gen-Technik super ist." Wieso lernt die Gen-Industrie nicht endlich, dass die Menschen sie mehrheitlich nicht wollen, egal aus welchen Gründen? Die Menschheit hat bisher ohne Gen-Technik überlebt, dann wird sie es wohl auch weiterhin schaffen. Da können mich auch die Argumente von Übervölkerung und 'effizienteren Lebensmitteln' nicht wirklich überzeugen.
Gen-Forscher Jacobsen jedenfalls sieht im rot-grünen Koalitionsvertrag einen Angriff auf die Forschungsfreiheit; ein Totschlagargument, das ich einfach nicht mehr hören kann. Denn:
Forschungsfreiheit hört da auf, wo sie Schaden anrichtet! In anderen Zusammenhängen kommt dieses Scheinargument leider auch immer wieder: "Wir hantieren an lebenden Föten herum und scheren
uns einen Dreck um Ethik. Hey, das ist Forschungsfreiheit!" "Wir entwickeln Laptops für Babys, obwohl wir wissen, dass sie ihnen schaden. Hey, das ist Forschungsfreiheit!" "Wir quälen
Tiere im Sinne der Pharmaindustrie. Hey, das ist Forschungsfreiheit!" "Wir tüfteln an Atom-Reaktoren, obwohl wir wissen, dass der Abfall quasi 'unsterblich' ist. Auch das ist
Forschungsfreiheit!" Das Schlimme an all diesen Beispielen: Es geht IMMER um Geld und nur selten um das Wohl der Menschen.
Doch zurück zum Thema und dem damit verbundenen konkreten Anlass: Da das Projekt 'HannoverGEN' gekippt ist, werden niedersächsische Lehrer in Zukunft "ohne den akademischen Sachverstand von
Jacobsens Gentechnikerteam lehren müssen", so Spiegel Online abschließend. Das klingt ja gerade so, als hätte nur dieser Herr Jacobsen das nötige Fachwissen und alle Lehrer seien ohne
seine Hilfe dumm und aufgeschmissen. Auch hier stört mich das vermeintliche Argument des 'akademischen Sachverstands', denn es impliziert: "Nur der, der sich akademisch mit der Gen-Technik
auseinandersetzt, darf eine Meinung dazu haben." Das sehe ich anders!
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Tagträumerin;) (Freitag, 08 März 2013 15:01)
Jeder darf eine Meinung haben.
Meine Meinung ist, dass manche Forscher in ihrem Gehirn zu viel Platz dem Forschungskram, den Zahlen, den Formeln, widmen. Wenn man seine ethischen Gehirnströme nicht regelmäßig benützt werden sie vernachlässigt und wenn man sie braucht sind sie eingerostet. Na ja und wenn das einen selbst nicht betreffen würde könnte man ja sagen "deren Pech". Ja deren Pech aber unsere Zukunft. Unser Deutschlehrer ist da ja auch immer so positiv.
Zitat: "Ich habe mit dem Atomzeug kein Problem mehr, wenn es lebensgefährlich wird, bin ich wahrscheinlich nicht mehr hier, ihr habt dann die Probleme."
Er ist nicht so unsympathisch wie das Zitat von ihm^^
Also das sind halt meine Gedanken zum Thema "Gentechnik" im Allgemeinen.
lg. Tagträumerin;)