Flüchtlinge

Ich kann dieses Wort derzeit kaum noch hören. Alle Sender sind voll davon. Als wäre Deutschland der Rettungsanker der Welt. Doch Moment! Sind Nächstenliebe und Hilfsbereitschaft nicht eigentlich Dinge, die keine Grenzen kennen sollten? Hinter den meisten Flüchtlingen stecken schlimmere Schicksale, als die meisten Europäer je erlebt haben. Aber wohin mit der Masse an Menschen? Ein kurzer Blick in mein Gehirn.

Grenzzaun bauen? Alle aufnehmen? Schotten dicht? Willkommenskultur? Zwischen diesen Extremen pendelt auch mein Empfinden immer wieder hin und her. Bilder von kleinen Kindern, die nach einem Gewaltmarsch kaum noch stehen können, ihre Augen leer, die Eltern erschöpft und hoffnungslos. Gleichzeitig Meldungen über Randale unter den Asylsuchenden. Eine Folge der psychischen Strapazen oder einfach mangelndes Benehmen? Wieso soll dann der Steuerzahler dafür aufkommen? Weil er auch für Eskapaden unter Deutschen aufkommen muss? Auf einem anderen Kanal hört man davon, dass muslimische Flüchtlinge Frauen in Uniform nicht als Staatsgewalt anerkennen - ein paar Syrer hatten sich offenbar herablassend über eine Polizistin geäußert. Geht es ihnen also doch noch so 'gut', dass sie Macho-Verhalten an den Tag legen und sich der Staatsgewalt widersetzen können? Sind alle so? Wohl kaum. Und was können die Kinder dafür? Ein anderes Interview zeigt einen Afghanen, der die Nase voll hat vom Regime in seiner alten Heimat, der Deutschland sogar beim Kampf gegen den Terror unterstützen möchte. Die Probleme der Welt plötzlich vor der Haustür. Wir brauchen dringend Wohnungen. Aber brauchen deutsche Sozialfälle die nicht auch? Wieso wird das Problem fehlender Sozialwohnungen erst erkannt, wenn Nicht-Deutsche diese benötigen?

Ist dieser Gedanke berechtigt oder bereits fremdenfeindlich? Wieso gilt der Satzanfang 'ich habe nichts gegen Ausländer, aber' als Tabu? Ist es nicht erlaubt, Zuwanderung an Pflichten zu knüpfen? Ist es nicht das Recht eines Einheimischen, von jedem Menschen der Welt zu fordern, dass er die nationalen Gesetze achtet, sobald er einwandert? Was ist an einem Satz wie 'ich habe nichts gegen Ausländer, aber ich möchte, dass ihr Zustrom geregelt wird' fremdenfeindlich? Ich liebe mein Land und ich habe Angst um seine Identität, meinetwegen auch vor Überfremdung, bin aber gleichzeitig dafür, Hilfe zu gewähren, wenn diese benötigt wird, auch und gerade für Kriegsflüchtlinge. Wähle ich nun besser eine rechte oder eine linke Partei, wenn ich möchte, dass angemessen mit den Asylsuchenden umgegangen wird? (Am besten wählt man natürlich die ÖDP, doch das steht auf einem anderen Blatt... ;-))) ) Ich stelle bewusst diese recht naiven Fragen, um den Zwiespalt zwischen Heimatliebe und Weltoffenheit zu veranschaulichen, der derzeit in mir tobt. "Was habe ich mit Syrern zu tun?", denke ich noch und gleich im nächsten Moment: "Halt! Ist die Nationalität nicht vollkommen egal, sobald es um menschliche Hilfe geht? Sollte man einen Syrer nicht in erster Linie als Mensch statt als 'Araber' betrachten?"

Ein Freund erzählt mir von seinem Einsatz bei der Registrierung ankommender Flüchtlinge. Er erzählt davon, dass die Mehrzahl sofort arbeiten möchte, um selbst für sich aufkommen zu können. Er erzählt davon, dass sich die Flüchtlinge für ihn als Menschen interessieren, ihn fragen, ob er Frau und Kinder hat. Weil sie wissen wollen, welcher Mensch ihnen hilft und wie Leben in Deutschland so funktioniert. Syrische Flüchtlinge fungieren trotz ihrer Not als Vorbilder für Menschlichkeit - da könnten wir uns mal eine Scheibe von abschneiden. Doch zurück zum Thema: Hilfesuchende haben Hilfe verdient, da sind wir uns einig. Aber wie hilfsbedürftig sind Asylsuchende wirklich? Sollte man da überhaupt zwischen Kriegs- und Wirtschaftsflüchtlingen unterscheiden?

Ich halte mich für einen halbwegs intelligenten Menschen. Doch wie aus meinen obigen Fragen hervorgeht, habe ich nicht ansatzweise eine Ahnung, wie man mit der Flüchtlingskrise 'richtig' umgeht. Würde man das Verursacherprinzip geltend machen - das in der Umweltpolitik bereits fest verankert ist -, müsste Deutschland bevorzugt Wirtschaftsflüchtlinge aufnehmen. Denn Deutschland ist durch völlig verfehlte Wirtschaftspolitik gepaart mit entfesselter neoliberaler Globalisierung eher für afrikanische Armut verantwortlich als für den IS-Terror. Dagegen sind Wirtschaftsflüchtlinge meist nicht unmittelbar mit Leib und Leben in Gefahr, was wiederum bei Kriegsflüchtlingen der Fall ist. Meine Strategie wird sein abzuwarten, welche Ansätze die deutsche Bundesregierung und die EU fahren und dann zu entscheiden, ob diese richtig oder falsch sind bzw. waren. Das Thema ist mir einfach eine Nummer zu groß und auch viel zu vielschichtig. Das soll keineswegs eine Ausrede sein, um mich Realitäten nicht stellen zu müssen, doch es ist meine Strategie, mit den immer neuen Meldungen über immer neue Flüchtlingswellen klarzukommen.

Mehr als meine Taten- und Planlosigkeit beunruhigt mich die wachsende Popularität extremer Gesinnungen, seien sie nun rechts- oder linksextrem. Das Volk wünscht einfache Lösungen und die findet es sowohl bei der "Grenzen-dicht-" als auch bei der "Wir-haben-alle-lieb-Fraktion". Die Wahrheit liegt - sofern ich das beurteilen kann - wie immer irgendwo in der Mitte. Ich hoffe, dass es gelingen wird, den wirklich bedürftigen und integrationswilligen Menschen eine neue, vielleicht auch nur vorübergehende Heimat zu geben und jene 'auszusieben', die versuchen, ein Stück vom - hart erarbeiteten und über Jahre bis Jahrzehnte gebackenen - 'Willkommenskulturkuchen' abzubekommen, obwohl sie es keinesfalls zwingend benötigen.

Dazu fällt mir ein Beitrag des WDR ein: Eine Roma-Familie war aus ihrer Heimat geflohen, "weil sich die Kinder in der Schule massiven Hänseleien ausgesetzt fühlten". Einmal in Deutschland, zeigte die Familie vorbildliche Integrationsbemühungen. Als das Asylverfahren bearbeitet wurde, stellte die Behörde fest, dass der Asylantrag abgelehnt werden muss, weil die Familie aus einem sogenannten 'sicheren Herkunftsland' stammt und keine Gefahr für Leib und Leben bestehe. Die Familie beteuerte, sie sehe sich aber schlimmsten Roma-feindlichen Diskriminierungen ausgesetzt, auch der WDR blies mit in dieses Horn und monierte, es sei ein Unding, solch eine integrationswillige Familie wieder abzuschieben. Seien wir mal ehrlich: Es ist schade, ja, aber kein Unding, sondern lediglich angewandtes deutsches bzw. europäisches Recht. Es kann weder jeder nach Deutschland kommen, der in irgendeiner Weise irgendwo auf der Welt diskriminiert wird noch jeder, der seinen Lebensstandard gerne auf deutsches Niveau heben möchte (denn dann müsste fast die ganze Welt nach Deutschland auswandern).

Wir können die Nöte der Welt nicht allein in Deutschland bekämpfen und Hänseleien und Diskriminierungen haben wir alle zu ertragen, auch unter Deutschen. Wieso z. B. ist das Hänseln aufgrund der Ethnie schlimmer als das aufgrund körperlicher Gebrechen? Wieso wird 'Zigeuner' als schlimmste Diskriminierung angesehen, während 'Fettsack' oder 'Stotter-Maxe' meist noch in Ordnung gehen? Das ist hässliche, aber leider kaum vermeidbare Realität. Wenn ich bei jeder Diskriminierung oder Hänselei in ein anderes Land 'geflohen' wäre, um dort Asyl zu beantragen - ich könnte meine Wände mit Asylverfahren tapezieren. Damit mich niemand missversteht: Ich möchte hier gegen niemanden hetzen. Ich möchte nur zu denken geben, dass wir - und das ist das Einzige, was ich zum Asylthema konstruktiv beitragen kann - uns auf jene Menschen beschränken sollten, die Hilfe tatsächlich dringend nötig haben und bei denen Gefahr für Leib und Leben besteht. 'Der Rest' darf gerne versuchen, in Deutschland Fuß zu fassen, sich aber bitte auch nicht wundern, wenn dieser Wunsch aufgrund der aktuellen brisanten Lage verwehrt bleiben muss. Ich finde, das ist in Ordnung, auch im Sinne eines umfassenden humanistischen Menschlichkeitsverständnisses.

Fluchtursachen zu bekämpfen ist sicher ein weiterer guter Weg, den Flüchtlingsstrom einzudämmen, der allerdings die Frage nach dem Wie aufwirft. Mit Terroristen lässt sich eben schlecht diplomatisch verhandeln. Also schicken wir französische Kampfflugzeuge und schießen, was das Zeug hält. Ob das der richtige Weg ist? Wenn nicht, welcher ist es dann? Und schon geht sie wieder los, die Gedankenspirale, die mich mehr und mehr mit dem Gefühl zurücklässt, dass kein Weg der richtige ist. Am Ende der meisten Diskussionen über dieses Thema steht oft die 'Notbremse', die gezogen wird, wenn alle anderen Argumente auf keinen fruchtbaren Boden gefallen sind, der persönliche Gewissensappell, der versucht, mich auf meinem 'Menschlichkeitsfuß' zu erwischen: "Die armen Syrer können doch nichts dafür, dass ihr Hab und Gut weggebombt wird." Aus Machtlosigkeit und der Beschäftigung mit meinen eigenen Problemen heraus möchte ich antworten: "Ich auch nicht."

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Kommentare: 4
  • #1

    Angelika Gruber (Samstag, 31 Oktober 2015 08:10)

    Hier eine Stimme aus Wien. Gespalten in der Flüchtlingsfrage scheint auch Österreich zu sein, das lässt sich an den jüngsten Wahlergebnissen und den Zuwächsen der FPÖ ablesen sowie der medialen Propaganda für Nächstenliebe (wenn sie mit Sentimentalität betrieben wird, kann sie nicht mehr echt sein). Gespalten bin auch ich und ich danke für diesen Eintrag, der (ebenfalls in gewisser Gespaltenheit) zu vernünftigen Denkergebnissen kommt. Insbesondere die letzte fettgedruckte Position ist eine sinnvolle, wenn man an Nachhaltigkeit denkt. Denn jeder neue feste Platz in der Gesellschaft beansprucht vorerst einmal das Sozialsystem. Und sinnvolle Integration ist ein langfristiges Projekt. Das Problem an der derzeitigen Situation ist die völlige Überforderung der Behörden und das birgt Gefahren. Gandhi ist es gelungen durch die Massenproteste und die Überfüllung in den Gefängnissen die Herrschaft der Engländer in Frage zu stellen. So wie die Flüchtlingsströme zur Zeit in der Praxis der Staaten gehandhabt werden, ist die Konsequenz aus der Überforderung ziemlich chaotisches und unkoordiniertes Vorgehen, auch wenn die Medien immer wieder betonen, wie sehr die Staatschefs in Verbindung sind. Aber die Praxis folgt der Not. Es ist nicht verwunderlich, dass Zivilbürger mit gemischten Gefühlen diese enorme Flüchtlingswelle beobachten. Einfache, schöne Lösungen wird man nicht erwarten können. P. S.: Der Platz für einen Flüchtling beginnt im Gehirn oder vielleicht doch auf der Erde?

  • #2

    Manuel Dekielinski (Samstag, 31 Oktober 2015 10:44)

    Hallo Angelika! Vielen Dank für Ihren Kommentar. In einer weiteren Nachricht haben Sie mir geschrieben, dass Sie die Staatschefs von Deutschland und Österreich meinen, da der Osten bekannterweise anders agiert. Das sehe ich auch so und möchte es hiermit ergänzen. (Ich habe leider nicht die Möglichkeit, Leserkommentare direkt zu bearbeiten, ich kann diese nur freischalten oder löschen.) Grundsätzlich stimme ich Ihren Aussagen zu, einzig die Formulierung "Propaganda für Nächstenliebe" finde ich etwas unglücklich, obschon ich weiß, was Sie damit meinen. Viele Grüße ins Nachbarland! Manuel :-)

  • #3

    Angelika Gruber (Montag, 02 November 2015 10:00)

    Hallo Manuel!
    Die "unglückliche Wortwahl" zeigt vielleicht, dass ich nicht ganz glücklich bin, wie und in welcher Auswahl die Medien die Not den Bürgern zu vermitteln suchen. Das habe ich gemeint. Viel unglücklicher bin ich jedoch über meinen Schlusssatz, einfache, schöne Lösungen wird man nicht erwarten können. Denn im Moment haben wir nur Krisenmanagement und keiner weiß genau wie es weitergehen soll und enden wird. Dass bei vielen Flüchtlingen ihr Fluchtweg tragisch endet, sollte die Politik zumindest zu nicht-tragischen Lösungen bewegen. Und das ist schon sehr viel verlangt!

  • #4

    Sozialpsychologie Osnabrück (Freitag, 15 April 2016 21:26)

    Die Sozialpsychologie der Universität Osnabrück macht eine Umfrage zur Einschätzung der Entwicklung der Flüchtlingssituation. Jede Meinung ist gefragt!



    „Wir wollen von Deutschen wissen: Was denken Sie, wie wird die Flüchtlingssituation in Deutschland Ende 2016 aussehen?



    In politischen und medialen Debatten äußern sich Experten und Expertinnen verschiedener Disziplinen unterschiedlich zur Zukunft der Flüchtlingssituation. In unserer Umfrage interessiert uns jedoch die Meinung der deutschen Bevölkerung. Wir möchten gerne von Ihnen wissen, wie Sie persönlich die Entwicklung der Flüchtlingssituation zum Ende des aktuellen Jahres einschätzen.

    Die Teilnahme dauert ca. 20 Minuten. Ihre Angaben werden selbstverständlich anonym behandelt. Unter allen Teilnehmenden werden BestChoice -Universalgutscheine im Gesamtwert von 250€ verlost.

    Hier geht es zur Umfrage: http://ww3.unipark.de/uc/AG_Sozialpsychologie/07cd/



    Arbeitsgruppe Sozialpsychologie der Universität Osnabrück“


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