Yippie yippie yeah, yippie yeah, Krawall und Remmidemmi! - Oder: Warum nur die gehört werden, die am lautesten schreien

Wer am lautesten brüllt, erhält die meiste mediale Aufmerksamkeit. Das lehren uns die gewalttätigen Blockupy-Proteste gegen die Europäische Zentralbank in Frankfurt. Dass es auch anders geht, haben wir am 15. März am Atomkraftwerk in Tihange bewiesen. Aber zu welchem Preis?

Das Positive zuerst: Unser kleiner ÖDP-Kreisverband hat es endlich in die Medien geschafft. Bei der Anti-AKW-Demo im belgischen Tihange waren wir mit unseren Transparenten und Fahnen vertreten (siehe hier) und haben die Leute so nicht nur auf die Problematik der Kernenergie, sondern auch auf uns aufmerksam gemacht. Medial waren wir in zahlreichen belgischen und deutschen Medien zu sehen (siehe z. B. 'WDR Lokalzeit' oder 'Deutsche Welle'); unser Europaparlamentarier Prof. Dr. Klaus Buchner - selbst Atomphysiker - begleitete uns und sorgte vor Ort u. a. durch Kurzvorträge für die nötige Fachkundigkeit der Demonstranten. Wir hatten uns vor der Demo auf Friedfertigkeit, einen gewissen Grad an Bescheidenheit und Gesetzeskonformität eingeschworen, um jenes Bild der ÖDP nach außen zu tragen, das ihr auch im Kern zugrunde liegt und unsere Werte repräsentiert. So war es eine erfolgreiche Demonstration von insgesamt ca. 1.000 Menschen, die sich - auch über Parteigrenzen hinweg - für eine gemeinsame Sache einsetzten.

Nun das Negative bzw. Ärgerliche: Wenige Tage später waren die Blockupy-Proteste in aller Munde - an sich noch kein Drama. Doch drängt sich mir die Frage auf, wieso das Thema Europäische Zentralbank bzw. die damit verbundenen Ausschreitungen ein unverhältnismäßig größeres mediales Echo erzeugt haben. Sprecher der Blockupy-Bewegung, deren Anliegen ich eigentlich grundsätzlich sehr befürworte (siehe auch: http://de.wikipedia.org/wiki/Blockupy), tauchten plötzlich in der Tagesschau und damit deutschlandweit zur Hauptsendezeit auf. Ich gebe zu, ich war und bin mit Neid erfüllt. Doch viel größer als mein Neid ist mein Unverständnis gegenüber der Presse, die jenen Menschen, die sich nicht von illegalen Gewalttaten (gegen andere Menschen!) distanzieren, eine Plattform bietet. 'Gutheißer' bzw. 'Relativierer' der Krawalle erhalten von heute auf morgen ein Forum, um ihre Meinungen und Ansichten 'öffentlich-rechtlich' unter das Volk zu bringen. Kurz gesagt: Es gibt quasi kostenlose Werbung für Gewalttäter und deren im Hintergrund agierende Handlanger in der von Gebührengeldern finanzierten Tagesschau. Und wieso? - Weil sie laut genug geschrien haben. Und weil sich ein brennendes Polizeiauto optisch irgendwie besser macht als ein friedlich in die Luft gestrecktes Transparent. Von RTL und der Bildzeitung hätte ich nichts anderes erwartet, diese Formate leben von Sensation und spektakulären Bildern. Aber diese Formate sind auch privat finanziert und jedem Bürger ist es freigestellt, sich manipulativ und höchst selektiv berieseln zu lassen - schließlich gibt es ja die Alternative des neutralen, fairen, des 'guten' öffentlich-rechtlichen Rundfunks. Besser gesagt: Es gab sie. Inzwischen kann ich die Menschen verstehen, die ihre Lügenpresse-Rufe auch bis vornehmlich an die gebührenfinanzierten Sendeanstalten richten.

Und die Moral von der Geschicht? Hätten wir das AKW Tihange des Energiekonzerns Electrabel im belgischen Huy bei Lüttich anzünden sollen, um eine breitere Öffentlichkeit auf die Gefahren hinzuweisen? - Schließlich wäre bei einem Reaktorunfall, wie er in Tschernobyl oder Fukushima stattgefunden hat, ein großer Teil des westlichen Nordrhein-Westfalens unbewohnbar, ganz zu schweigen von den 'Direkt-Toten' im Umfeld des Atomkraftwerks, in dessen Reaktor 2 immer neue und größere Risse entdeckt werden. Es läuft einmal mehr auf die Frage hinaus: Welcher Zweck heiligt welche Mittel?

Auch die ÖDP Aachen hatte sich einen 'Schlachtplan' zurechtgelegt. Für den Fall, dass die belgische Polizei die Demo kurzfristig verbieten könnte, hätte ein Teil unserer Parteifreunde im Rahmen des 'zivilen Ungehorsams' dennoch demonstriert und u. U. sogar kurzfristige Festnahmen riskiert. "Man muss ein bisschen provokant sein", so lautete der allgemeine Tenor unserer Vorbereitungen. "Hier und da 'darf' man auch schonmal das Gesetz brechen, wenn es edlen Zielen dient und niemand dabei verletzt wird" lautete ein weiterer Standpunkt, über den im Kreisverband hitzig diskutiert wurde - ich erinnere an unsere von uns selbst geforderte Gesetzestreue vom Anfang - und der nicht abschließend geklärt werden konnte. Gibt es Dinge, die nicht rechtens sind, aber dennoch richtig? (Christian Wulff lässt grüßen, wenn auch mit verdrehten Vorzeichen.) Doch während wir in der Nachbereitung über solch 'harmlose' Dinge debattieren, brennen anderswo die Polizeiautos. Während in Villariba noch brav und bürgerlich debattiert wird, wird in Villabayo schon krawallartig eskaliert: Ziviler ÖDP-Ungehorsam oder gewalttätiger Blockupy-Exzess? Wenn es um mediale Aufmerksamkeit geht, scheint der die größten Chancen zu haben, der das Gesetz am härtesten bricht. Eine fatale Botschaft an die Zuschauer des vermeintlich 'seriösen' Fernsehens und an ganz Deutschland.

Als wir mit unseren Bussen am belgischen Atomkraftwerk ankommen, ertönt aus den Boxen des Veranstalters erst das Lied 'Krawall und Remmidemmi' der Band Deichkind, wenig später die Parole 'Let the Mutherfucker burn!' der Bloodhound Gang. Dennoch verlief alles friedlich und gesittet. Die ÖDP ist stolz auf ihre friedfertige Gesetzestreue und ihren relativ 'stillen Protest'. Wir sind unseren Prinzipien treu geblieben, haben uns vorbildlich verhalten. Wir wollten nicht demonstrieren um des Demonstrierens willen, sondern weil wir ein wichtiges Thema ins Bewusstsein der Menschen rücken wollen. Aber wir haben gelernt: Vorbildlichkeit und Gesetzestreue sind eher ein Ding der Lokalmedien - mit einem zwar großen, aber dennoch begrenzten Adressatenkreis. Wer beachtet werden möchte, obwohl oder gerade weil er die breite Öffentlichkeit auf ein wirklich brisantes Thema aufmerksam machen will, muss zu anderen Mitteln greifen. Die Zeit wird zeigen und sie zeigt bereits, was aus solchen 'Botschaften' werden kann...

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Kommentare: 3
  • #1

    kurt rieder (Freitag, 20 März 2015 23:02)

    einfach klasse! Da muss nix hinzugefügt werden -
    leider liest das wahrscheinlich auch mal wieder kein Schw.... wg. der nicht vorhandenen medialen Aufmerksamkeit !

  • #2

    Manuel Dekielinski (Samstag, 21 März 2015 11:28)

    Ja, mir fallen eine Menge Redensarten ein, die zu meinem Artikel und auch zu Deinem Kommentar passen:
    - Ironie des Schicksals
    - der Hund, der sich in den Schwanz beißt
    - usw.
    Der deutsche Dichter Erich Limpach hat mal gesagt:
    "Die Massenmedien unserer Zeit bieten dem aufmerksamen Beobachter immerhin eine Chance, die Lüge von gestern mit der Lüge von heute vergleichen zu können."
    Und Limpach hat von 1899-1965 gelebt... ;-)

  • #3

    Rob (Samstag, 21 März 2015 12:39)

    Leider, so ist es - wie du es beschreibst. Im Stillen wird dennoch ein Ziel erreicht, aber dafür braucht es Beharrungsvermögen, viele kleine Stiche...

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