"Kaufen Sie doch einfach ein neues!" - Meine Erfahrungen mit dem TomTom-Kundendienst

Geplante Obsoleszenz ist in aller Munde. Doch was, wenn ein Gerät gar nicht kaputt ist, sondern nur einer Aktualisierung bedarf? Auch dann heißt es: "Wieso kaufen Sie nicht gleich ein neues?" Jüngst erlebt beim niederländischen Navigationsgerätehersteller TomTom.

Vor ca. fünf Jahren kaufte ich mein erstes Navigationsgerät, ein 'TomTom XL IQ Routes Edition' (was für ein Wortungetüm), für ca. 100€ in einem Aachener Elektromarkt. "Ist ja auch irgendwie schicker, als immer mit der blöden Landkarte herumzuwedeln", dachte ich mir und ging stolz mit meiner neuen Errungenschaft nach Hause. "Im Idealfall hält das Gerät ewig und Du brauchst nicht immer wieder neue Landkarten zu kaufen", dachte ich weiter und freute mich, langfristig nicht nur Geld gespart, sondern auch einen Beitrag für die Umwelt geleistet zu haben (an die Materialien, die für die Herstellung des TomToms benötigt werden, habe ich damals noch nicht gedacht). - Beides entpuppte sich bereits nach kurzer Zeit als Irrtum.

Nach ca. zehnmaliger Benutzung brach der Stecker des Kfz-Ladekabels ab. Kurz darauf war der Drehmechanismus an der Saugnapfhalterung so ausgeleiert, dass es eine Gefährdung für den Straßenverkehr darstellen würde, diese weiterhin zu benutzen. Leider passierte beides - Murphys Gesetz - kurz nach Ablauf der Garantiezeit. "Nicht schlimm", mutmaßte ich, "der Elektromarkt wird sicher so kulant sein und beides ersetzen, schließlich hast Du das Gerät erst ein paar Mal benutzt." Doch was war? Pustekuchen! "Garantiezeit um, Pech gehabt", hieß es seitens des großen Elektromarktes mit dem Planeten im Logo. "OK, dann halt nicht", dachte ich und zog etwas enttäuscht von dannen, kaufte mir jedoch noch im selben Markt für stolze 15€ ein neues Ladekabel, da das Gerät ansonsten für längere Fahrten unbrauchbar geworden wäre. Als ich das neue Kabel probeweise mit dem Gerät verbinden wollte, stellte sich mir ein weiteres Hindernis in den Weg: TomToms Kabeleingänge sind so von Kunststoff umgeben, dass vermutlich nur TomTom-eigene Kabel problemlos hineinpassen - mein Ersatzkabel (von einer anderen Firma) passte nur mit etwas Drücken und Quetschen in die Aussparung. "Sei's drum, die Garantie ist eh abgelaufen", murmelte ich in meinen Bart und war erleichtert zu sehen, dass die Verbindung offenbar stand, denn das Gerät lud brav am 12-Volt-Anschluss meines Autos.

Nun stand vor ein paar Wochen eine Fahrt zum Phantasialand an. Um den Autobahnverkehr zu vermeiden - die A4 zwischen Aachen und Köln ist im wahrsten Sinne des Wortes 'tödlich' - ließ ich das Navi die kürzeste Route 'über Land' errechnen und so ging es in den Sommerferien gemütlich los. "Klasse, endlich nochmal eine Möglichkeit, das Navigationsgerät samt neuem Ladekabel zu nutzen! Hat sich die Anschaffung also doch gelohnt", freute ich mich und fuhr brav 'nach Navi' Richtung Brühl.

Das klappte auch soweit ganz gut, bis wir irgendwann einer Landstraße folgten, die laut TomTom eigentlich gar nicht existierte. Kurz vor einem Kreisverkehr 'mitten in der Pampa' hatten wir die Wahl: Weiter geradeaus oder auf die Autobahn Richtung Süden? Ich entschied mich spontan für die Autobahn Richtung Süden, da wir meinem Orientierungssinn zufolge nord-westlich von Brühl unterwegs sein mussten. Auf der Autobahn war es mit dem Navi vorbei, es war 'verwirrt': "Erst fährt der eine Straße lang, die es gar nicht gibt und dann fährt er, obwohl ich es vermeiden sollte, trotzdem auf die Autobahn?" Ich kann mir genau vorstellen, wie das Navi dachte: "Nee, Leute, ich bin raus! Und tschüss!"

Doch Spaß beiseite: Nach einiger Zeit (das Navi war inzwischen neu programmiert) waren wir - nachdem wir eine 'Schleife' gefahren waren und letztlich genau da 'herauskamen', wo wir am Kreisverkehr zuvor offenbar falsch abgebogen waren - wieder 'über Land' unterwegs Richtung Phantasialand. Dort kamen wir mit ca. zwanzigminütiger Verspätung an und genossen den Tag. - Bis zum Abend, denn wir mussten ja auch wieder zurückfahren. Um erneute Komplikationen zu vermeiden, bat ich einen Freund, doch besser seine Navigationssoftware auf dem Smartphone zu starten. Gesagt, getan, doch gab besagte Software schon nach wenigen Minuten den Geist auf, das Programm hatte 'sich aufgehängt'. Wir hatten keine andere Wahl, als doch wieder meinem Navi zu vertrauen.

Unser Vertrauen hielt ca. eine halbe Stunde an. Wir fuhren über eine gut ausgeschilderte und -gebaute Landstraße Richtung Westen, als diese plötzlich - und das ist kein Witz - in einem Rübenfeld endete, am Straßenrand nur ein Bauernhof und ein Schild: 'Gesperrt für Fahrzeuge aller Art'. Kein Feldweg, keine 'Reststraße' war zu erkennen - unsere Straße war schlicht 'einfach weg'. Ich musste an jene Leute denken, die wegen ihres Navis bereits in Flüssen oder Waldgebieten gelandet sind und über die ich mich eigentlich immer lustig gemacht hatte. Jetzt wusste ich, wie schnell so etwas passiert ist. Da wir die Nase voll hatten von der 'Sucherei und Kurverei', wählten wir für den restlichen Heimweg schließlich doch die Autobahn.

Zu Hause angekommen kam mir eine grandiose Idee in den Sinn: "Wahrscheinlich ist das Kartenmaterial des Navis veraltet, Du solltest mal besser ein Update durchführen." Also fix das Navi an den Computer geklemmt, Programm installiert, durch gefühlte 6.000 Menüpunkte gearbeitet, Daten gesichert, Benutzerkonto erstellt und in die Welt der TomTom-Fachbegriffe eingetaucht, bis ich schließlich am Ziel meiner Bemühungen war: Der Kartenaktualisierung. "Kostet für Sie ca. 70€" stand da in großen Lettern auf meinem Bildschirm. Ich dachte, es müsse sich wohl um einen Fehler handeln, denn das Gerät hatte ich ja schon gekauft, ich brauchte ja nur eine aktuelle Karte. "Jaja, das kostet ca. 70€" lautete die Info, die mir auch der TomTom-Kundendienst gab.

Da wurde es mir zuviel. Ich schrieb eine ziemlich böse E-Mail an eben jenen Kundendienst: "Erst bricht der Stecker ab, dann leiert die Halterung aus (beides nach ca. zehnmaliger Benutzung und trotz sachgerechter Handhabung), für beides will weder der Elektromarkt noch der Hersteller die Verantwortung übernehmen, das 'fremde' Ersatzkabel passt nur 'mit Biegen und Brechen', ich fummele Ewigkeiten an meinem Benutzerkonto herum, nur um ein Update durchführen zu können und jetzt soll ich für dieses auch noch satte 70€ blechen?" Statt mir dann entgegenzukommen und mir beispielsweise einen Rabatt auf das Update zu gewähren, kam als Antwort: "Wenn das Material nach Ablauf der Garantiezeit kaputtgeht, haben Sie halt Pech gehabt und dass die Updates viel kosten, ist bei ihrem Gerätemodell nunmal so." Zur Krönung wurde mir eine Antwortfrist von drei Tagen gesetzt (ansonsten würde die Anfrage automatisch gelöscht) und ein wesentlich teureres neues Navi mit für mich wertlosem Zubehör zu vergünstigten Konditionen angeboten. Dort seien kostenlose Kartenaktualisierungen bereits im Kaufpreis enthalten... - Dabei hätte ich das alte Gerät durch eine simple Aktualisierung (für die ich verständlicherweise nicht den vollen Preis bezahlen wollte) weiter nutzen können. Dass diese beinah soviel kostet wie eine Geräte-Neuanschaffung trägt sicher nicht dazu bei, dass sich viele Kunden dafür entscheiden. Doch TomTom springt auf den 'Alles-neu-Zug' auf und bietet fröhlich Neugeräte an, anstatt im Sinne der Nachhaltigkeit auf den weiteren Betrieb älterer Modelle zu setzen.

'Kaufen Sie doch einfach ein neues' ist ein Spruch, der wie ein Dogma in die Köpfe der Konsumenten gehämmert wird. Und auch ich erwische mich immer öfter bei Gedanken wie "das lohnt sich nicht mehr" oder "für ein paar Euro mehr kriegst Du eh was Neues". Wer dem etwas entgegensetzen will, hat es schwer auf dem kapitalistischen Wachstumsmarkt des 'Alles-neu-und-immer-höher-schneller-Weiter'. Außer man sagt der modernen Technik den Kampf an und kehrt zu den Wurzeln zurück. Nach meinen jüngsten Erfahrungen zum Thema 'schöne, neue Technik' ist mir noch klarer als zuvor: 'Back to the roots' schont nicht nur Umwelt und Nerven, sondern langfristig auch den Geldbeutel.

Mein TomTom wird wohl auf ewig in den Tiefen meines Schrankes verschwinden oder irgendwann auf den Elektroschrott wandern - die Umwelt wird sich freuen. Ich könnte dies zwar vermeiden, indem ich satte 70€ für das Update hinblättere (wären dann 100€ Gerät + 15€ Ersatz-Ladekabel + 70€ Update = fast 200€ für eine aktuelle Navigationsmöglichkeit), vermutlich werde ich in Zukunft aber einfach auf die gute alte Landkarte zurückgreifen, deren 'Aktualisierung' mich - wenn überhaupt - ein paar Euro kostet und die Umwelt maximal mit einem Bogen Altpapier belastet. Schöne alte Welt!

[Alle Zitate in diesem Artikel sind ausschließlich sinngemäß wiedergegeben und nicht wörtlich zu nehmen. Ferner möchte ich der Firma TomTom nicht unterstellen, grundsätzlich umweltschädlich zu handeln. Meine Kritik bezieht sich hauptsächlich auf den von mir geschilderten Fall, der Rückschlüsse auf andere ähnliche Fälle nahelegt, sowie auf die dubiose Preispolitik in Bezug auf Kartenaktualisierungen, die Geräte-Neuanschaffungen attraktiver macht als nötig, was wiederum symptomatisch für eine ganze Branche steht.]

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Kommentare: 1
  • #1

    Dawid (Dienstag, 21 Oktober 2014 20:54)

    Geplante Obsoleszenz

    Dawid Heftman gibt einen tiefen Einblick in die Reparaturszene sowie die damit verbundene Marktsituation, wenn es um die Reparierbarkeit von elektronischen Geräten geht. Dawid Heftman könnte man als den Reparatur-Guru bezeichnen. Mit dem Marktstart des Apple iPhone eröffnete er eine der ersten Reparaturbetriebe für Apple Smartphones, was für eine große Publicity auf Kabel1, N-TV und Sat1 sorgte. Dawid Heftman reformierte die gesamte Smartphone-Reparaturbranche und führte die Reparaturfestpreise ein, womit der Reparaturmarkt für die Konsumenten viel transparenter wurde. Stundenpreise bei Reparaturen wurden ebenso über Nacht Geschichte und faire Preistransparenz sorgte für günstigere Reparaturpreise und einen größeren Wettbewerb. ©2014 Dawid Heftman (P)2014 Dawid Heftman

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