E-Pferdchen statt Seepferdchen - die VHS macht's möglich

Computer statt Sport? In den Augen vieler Eltern sicher nicht die richtige Einstellung. Auch wenn die Volkshochschule Aachen ihre Computerkurse für Grundschüler(!) nicht als direkte Alternative zum Erwerb des klassischen Frühschwimmerabzeichens anbietet, ist die Entwicklung dennoch mit Vorsicht zu genießen.

Seepferdchen-Abzeichen
Wer kennt es nicht? "Das Seepferdchen", eine der ersten sportlichen Herausforderungen, welche die Schule für Kinder bereithält.

Doch was soll daran so schlimm sein, wenn die VHS jungen Menschen den verantwortungsvollen Umgang mit elektronischen Medien (daher das E in "E-Pferdchen") näherbringen und sie dafür mit einem 'Abzeichen' belohnen möchte? "Ein Leben ohne PC oder Handy in Schule, Universität und Beruf ist nicht mehr denkbar. Wer Computer nicht nutzt, verschließt sich der Realität", lautet schließlich eine These Marco Fileccias; dieser ist Oberstudienrat an einem Gymnasium in Oberhausen und muss es ja wissen. Zur Verbreitung seiner 'Wahrheiten' nutzt er ganz bewusst die neuen Medien. Das Verwirrende an Fileccias These: Sie impliziert, Computer seien ein Teil der Realität, dabei bilden sie, wenn überhaupt, nur einen Teil der Realität ab. Und dann ist da ja auch noch die 'virtuelle Realität', um die Verwirrung perfekt zu machen. Aus dieser begrifflichen Unschärfe resultiert eine Vermischung der Bedeutungen. Übrig bleiben eine 'unscharfe Soße' und zwei Fragen: 1. 'Ist ein Leben ohne elektronische 'Hilfen' (ob es wirklich Hilfen sind, sei mal dahingestellt) wirklich nicht mehr denkbar?' 2. 'Verschließen wir uns wirklich "der Realität", wenn wir sie nicht nutzen?'

Meine Gegenthese lautet: "Wir verschließen uns der Realität, wenn wir sie nutzen." Die wachsende Zahl der Menschen, die aus dem Wunsch nach Realitätsflucht computerabhängig oder internetsüchtig werden, untermauert diese Sichtweise. Da ich der VHS Aachen keine bösen Absichten unterstelle, gehe ich davon aus, dass sie dieser Entwicklung mit ihrem Angebot entgegenwirken möchte. Unter diesem Vorzeichen sind die Kurse vermutlich besser als zunächst angenommen. Für 30€ ist man dabei: Man erkauft seinen Kindern professionelle Anleitung auf dem Weg zu mündigen Computernutzern. "Das ist doch gut, gerade in der heutigen Zeit. China macht es schließlich vor und ist uns damit einmal mehr weit voraus." So oder ähnlich werden die Gedanken der jungen Eltern aussehen. Das scheint zwar vordergründig richtig, doch steckt hinter der 'frühkindlichen Prägung' der Chinesen vielleicht etwas ganz anderes, was mich zum nächsten Punkt führt.

Computerkurse für Grundschüler? Vor einigen Jahrzehnten nicht mal ansatzweise denkbar! Doch Zeiten ändern sich eben und 'wer nicht mit der Zeit geht, muss mit der Zeit gehen', so ein altes Sprichwort. Das Ganze - in Anlehnung an das Frühschwimmerabzeichen - "E-Pferdchen" zu nennen, ist zwar witzig und originell, doch trägt die Kampagne auch eine unterschwellige Botschaft, die offenbart, wohin diese Gesellschaft steuert: 'Wer nicht mithält, geht unter.' "Was Du da schon wieder hineininterpretierst", höre ich meine Freunde sagen. Doch scheine ich mich nicht zu irren. Wie sonst ist es zu erklären, dass - um nur eines von vielen vergleichbaren Beispielen zu nennen - der TV-Sender 'Super RTL' vor längerer Zeit eine fragwürdige Werbung zum Thema ausstrahlte? Geworben wurde für ein interaktives Lernprogramm, das auf den Internetseiten des Senders genutzt werden konnte und sich ebenfalls an Grundschulkinder richtete. Der Werbespruch (sinngemäß): "Verschaffen Sie Ihren Kindern den nötigen Vorsprung!"

Damit sind wir wieder beim Thema Konkurrenzgesellschaft. Am besten meldet man seinen Nachwuchs schon vor der Geburt für den Klavierunterricht an oder spielt dem Menschlein im Mutterleib noch vor der Niederkunft spezielle Musik zur Neurostimulation vor, damit es bereits intelligent auf die Welt kommt und damit seine Chancen auf einen Nobelpreis erhöht. In Zeiten, in denen es selbst für das iPhone eine Halterung gibt, mit deren Hilfe auch Kleinkinder es benutzen können, wundert mich das längst nicht mehr. Der Wunsch nach Technisierung, Wissenschaft und gesellschaftlichem Aufstieg verschwimmt schon seit längerer Zeit zu einem diffusen Konglomerat aus 'Input Overkill', 'It-Pieces', 'Lifestyle-Accessories (das Wort kommt vom lateinischen 'accessus', bedeutet 'Zubehör' und bezeichnet eigentlich Dinge, die man nicht zum täglichen Leben braucht)', 'Must-Haves' (ich verwende bewusst Anglizismen) und frühkindlicher 'Vollbedaddelung'; alles nach dem Motto 'viel bringt viel und je früher, desto besser'.

Doch zurück zu den Kursen und dem "E-Pferdchen" der Volkshochschule: Finden diese Veranstaltungen wirklich statt, um Kindern einen angemessenen Umgang mit dem Computer zu ermöglichen, so kann man darüber streiten, ob dies im Grundschulalter nötig ist. Stecken Eltern ihre Kinder jedoch aus vermeintlich edlen Motiven in diese Kurse, nämlich um ihnen einen gesellschaftlichen Vorsprung zu verschaffen oder sie frühzeitig auf die 'Gewinner-Bahn' zu lenken, sind sie unter allen Umständen abzulehnen. Was das Abzeichen als solches angeht, plädiere ich dafür, auch Kinder 'von heute' zuerst mit dem orangefarbenen Stoffaufnäher zu beglücken und sie erst später vor den Computer zu setzen. Denn gemäß der ganzheitlichen Maxime des römischen Dichters Juvenal ("mens sana in corpore sano") gehört zu einem gesunden Geist stets ein gesunder Körper (und andersherum).

Dass diesen Spruch auch Grundschulkinder kennen sollten, liegt auf der Hand. Ob sie wirklich das Internet benötigen, um ihn zu lernen, ist eine andere Frage. Manchmal tut's auch ein simples Gespräch zwischen Eltern und ihrem Nachwuchs, ganz ohne PC oder Handy. Wissen von Mensch zu Mensch weitergeben, mit Augenkontakt und persönlicher Note. Das ist Realität.

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