Egal, ob CDU, FDP, SPD oder GRÜNE, wie immer gilt: Nach wichtigen Wahlen gibt es nur Gewinner. Jede Partei scheint fröhlich gestimmt, sogar die CDU. Über die Qualität anschließender Diskussionen und des Umgangs miteinander kann der interessierte Zuschauer nur den Kopf schütteln.
Hört man die Parteispitzen in geselliger Runde bei Günther Jauch sprechen, stellt man fest, dass die Kunst, ein guter (medienwirksamer) Politiker zu sein, anscheinend darin besteht, sich die Dinge solange schön zu reden, bis man sie schließlich auch selbst glaubt. Die Botschaft des Abends lautet objektiv: Die CDU ist der große Verlierer und für eine erneute schwarz-gelbe Koalition hat es nicht gereicht. Punkt.
Ursula von der Leyen sieht das anders und deutet das gelbe Plus als indirekte Unterstützung für die CDU; die Wähler hätten halt taktisch gewählt und damit gezeigt, dass sie Schwarz-Gelb behalten möchten. Sie ergänzt: "Die CDU steht bundesweit bombastisch dar." Ein weiterer Satz von der Leyens, der während der Gratwanderung zwischen realistischer Analyse und Durchhalteparolen irgendwie in den Abgrund stürzt. Das ist in etwa so, als würde man auf die Aussage, in asiatischen Großstädten gebe es zuviel Smog, antworten: "Na und? In Deutschland nicht."
Armselig war der Auftritt der Polit-Köpfe auch deshalb, weil jeder es irgendwie schaffte, sein halbes Programm in Antworten auf inhaltlich völlig andere Fragen einzuflechten. Wenn von der Leyen zum wiederholten Male erklärt, CDU-Wähler würden sich für bessere Bildung, stabilere Verhältnisse, einen starken Arbeitsmarkt und was weiß ich nicht noch alles entscheiden und damit gekonnt die Kernthemen des Wahlkampfes abklappert, fällt mir immer die Schleichwerbung ein, für die Privatsender neuerdings nicht mehr belangt werden können, wenn sie einen entsprechenden Hinweis einblenden.
"Unterstützt durch Produktplatzierungen" in der Ecke? Gleich neben dem ARD-Logo und Günther Jauchs Kopf? Wieso eigentlich nicht, die Öffentlich-Rechtlichen scheinen ihr Niveau ohnehin immer stärker der breiten Masse und damit leider auch dem Privatfernsehen anzugleichen. Hohle Phrasen und Allgemeinplätze, wann immer ein Gast spricht. Die mit bekannten Gesichtern dekorierte öffentlich-rechtliche Berichterstattung verkommt leider immer mehr zum inhaltsleeren Polit-Blabla: "Wir müssen die Kinder stärken." "Wir brauchen erstklassige Bildung." "Umweltschutz geht uns alle an." ... Ja. Und der Ball ist rund.
Kurz erwähnen möchte ich aber auch das neue Modewort 'Abwählen', das besonders in linken Kreisen immer beliebter zu werden scheint und dessen Sinn sich mir bisher noch nicht erschlossen hat. In der Schule konnte man Fächer abwählen oder auch einen Klassensprecher. Aber Politiker? Geht man nicht zur Wahl, um jemanden zu wählen, also sich bewusst FÜR jemanden zu entscheiden? Dass ein Anderer diese Stimme nicht bekommt, ist mathematische Logik. Das rot-grüne Lager scheint diese Logik neu entdeckt zu haben und posaunt - wie zuletzt bei der Landtagswahl in NRW - im selbstgefälligem Siegestaumel in die Welt hinaus: "Schwarz-Gelb ist abgewählt!" Eine Bestätigung der deutschen Anti-Mentalität oder ein Auswuchs der Grünen, die erfahrungsgemäß grundsätzlich erst mal dagegen sind? Man weiß es nicht.
Selbst Jürgen Trittin kann es nicht lassen und pöbelt - basierend auf einem Irrtum, wie Jauch ihn korrigieren muss - kräftig Richtung Konkurrenz: Herr Rösler sei gar nicht erst gekommen, weil er wohl mit einer Niederlage gerechnet habe. Hahaha. Dazu belustigtes Grinsen und triumphierende Häme im Gesicht (dabei hat die FDP Stimmen gewonnen...). Die NRW-SPD spricht sogar davon, die SPD habe die Kraft, Merkel zu "stürzen". Ich frage mich: Befinden wir uns im Krieg?
Im weiteren Verlauf der Sendung passiert eigentlich nichts besonderes mehr, außer dass jeder Gast versucht, den anderen Gästen möglichst elegant und rhetorisch geschickt 'über's Maul zu fahren'. Nach Inhalten sucht man offensichtlich nicht nur bei den Piraten, sondern neuerdings auch bei den etablierten Parteien. Der Höhepunkt des Abends aber war der Gedanke: Wieso trägt Daniel Bahr lila Socken? Das scheint jedenfalls so wichtig gewesen zu sein, dass Jauch eine Frage daraus machte, die von der Bildzeitung natürlich dankend zur Schlagzeile transformiert wurde.
So kann man - was TV und Printmedien angeht - den Bürgern eigentlich gar nicht verübeln, wenn ihre Politikverdrossenheit weiter steigt. Solch ein inszeniertes Schaulaufen im Gewand eines Rhetorikwettbewerbs, garniert mit uralten Polit-Weisheiten ('mehr Gerechtigkeit ist gut'), dürfte irgendwann selbst für den Bildungsbürger zuviel werden. So erwische auch ich mich immer häufiger dabei, einfach um- oder gleich auszuschalten. Gäbe es nicht das 'Plus' des Ekelfaktors, wären politische Gesprächsrunden im 21. Jahrhundert jedenfalls nur noch schwer vom Dschungelcamp zu unterscheiden. Auch in Letzterem geht es um Intrigen, Schönfärberei, das Niedermachen der Konkurrenz und Eigenwerbung. Mit einem kleinen, aber feinen Unterschied: Man steht dazu.
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