Von 'Must-Haves' und anderen Anglizismen

Vor einiger Zeit flatterte ein druckfrischer Katalog der Firma s.Oliver in meinen Briefkasten. Bereits beim Anblick der Titelseite hatte ich das Gefühl, auf diesem Planeten irgendwie nicht mehr richtig zu sein.

Ich bin wohl nicht gemacht für die Welt von Star-Styles, Party-Fashion, It-Pieces, Colour-Blocking und Double Denim. Allerdings dankte ich in Gedanken meinem Englischlehrer, ohne den ich diese Titelseite wohl erst hätte übersetzen lassen müssen. "Na gut", dachte ich mir, "als Eyecatcher seien solche Anglizismen erlaubt", und erwischte mich dabei, gedanklich auch selbst gleich einen Anglizismus verwendet zu haben. Ich schlug also den Katalog auf und wurde nicht nur sprachlich, sondern auch inhaltlich enttäuscht: 'Must-Haves', wohin das Auge blicken konnte! Unter den 'Leder-Must-Haves' für den Mann: Eine Geldbörse und ein paar Handschuhe. "Soso, ich MUSS diese Dinge also HABEN [so die wörtliche Übersetzung]! Was passiert wohl, wenn ich sie nicht habe? Mhhh, mal überlegen..." Mein Blick wanderte von der linken auf die rechte Seite: "KING OF COOLNESS" war dort zu lesen. Ich hatte verstanden. "Verdammt, ich möchte doch auch so gerne ein King of Coolness sein!" Da kann man ja fast nicht anders, als diese mit "THE ART OF SMART" überschriebenen Accessoires zu kaufen, sonst ist man entweder nicht 'up to date' oder - schlimmer noch - kein echtes Fashion-Victim. Beim weiteren Blättern stieß ich auf die aktuellen 'Dos & Don'ts' zum Thema Daunenjacke, die sich bei näherem Hinsehen als schlichte Einkaufs- und Pflegehinweise entpuppten. Ich wusste nicht, was ich schlimmer finden sollte: Die Flut an (überflüssigen) Anglizismen oder die Botschaften, die dieser Katalog gerade bei jüngerer Kundschaft zu verbreiten sucht? Das Lied 'Konsum' der Fantastischen Vier spulte sich in meinem Kopf ab, in dem es schon Mitte der 90er Jahre hieß: "Du solltest mir vertrauen, denn ich bin dein Freund. Und ich bin überall, wo man glaubt, dass man was versäumt." Nun sind wir fast 20 Jahre älter und haben immer noch nichts dazugelernt? Ich fürchte, das Gegenteil ist der Fall: Die ständig präsente Werbeindustrie will uns erklären, wie wir zu leben und was wir zu kaufen haben. Doch was hindert uns eigentlich daran, einfach "Nö!" zu sagen? Damit schwenken wir von den Fanta4 zu den Beatles: "Let it be." So einfach ist die Welt. Als kleines Bonbon zum Abschluss möchte ich aber nicht versäumen, Ihnen einige Überschriften aus besagtem Katalog zu präsentieren. Viel Spaß beim Lesen, Staunen und Übersetzen! 3, 2, 1, los: "THE ART OF FASHION, BEST OF CASUAL, DRESSED UP BEAUTIFUL, feel good, OUTDOOR ADVENTURE, DENIM ALL OVER, fashion goes RED, GET THE ROCK-CHIC, warm up WITH STYLE, vintage VIBES, MIX IT WITH DENIM, ETHNO-POWER, JEANS-GUIDE, MIX & MATCH, LIFE & STYLE, OFFICE-DRESSCODE, DER BUSINESS-NUDE-LOOK..." Leute, ich habe keine Lust mehr, mir schlafen die Finger ein... Doch halt! Was ist das? Da steht "FUNKELND DURCH DIE NACHT" als Überschrift. Es geht also doch. Yeah!